Girlfags und Guydykes

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Girlfag (oder nach Uli Meyer „Schwule Frau“ mit großem „S“[1]) ist der Ausdruck für Frauen, die sich besonders zu schwulen bzw. zu bisexuellen Männern und deren Umfeld hingezogen fühlen und/oder sich selbst als schwul definieren. Einige bezeichnen sich selbst als genderqueer oder fühlen sich ganz oder teilweise als „schwuler Mann im Körper einer Frau“. Girlfags können sowohl bisexuell als auch heterosexuell sein.

Der Begriff entstand als Unterkategorie innerhalb von US-amerikanischen Subkulturen, die sich selbst im Allgemeinen als queer oder pomosexuell ("pomosexual") bezeichnen.

Girlfags unterscheiden sich von den so genannten Fag Hags, die ein rein platonisches Interesse an schwulen Männern bzw. der schwulen Subkultur haben.

Begriffsverwendung und verwandte Begriffe

Das Konzept von Girlfags ist in der queeren Subkultur bekannt, seit Autorinnen wie Carol Queen und Jill Nagle in den späten 1990ern ihr Coming-Out als schwule Frauen hatten.[2] Nagle prägte den Begriff Girlfag für dieses Phänomen maßgeblich.

Im Jahre 2000 wurde erstmals eine Internet-Diskussionsgruppe für GirlFags bei Yahoo! Groups geschaffen. Seitdem traten mehr als 3000 Mitglieder Gruppe bei.[3] Durch die zunehmende Bekanntheit traten Girlfags international in Erscheinung.[4]

Der Begriff Fag Hag bezieht sich hauptsächlich auf Frauen, die sich platonisch für schwule Männer interessieren. Es wird auch abwertend benutzt, um Frauen zu beschreiben, die romantisches und sexuelles Interesse an Schwulen haben. Jedoch wird Fag Hag hauptsächlich für heterosexuelle Frauen gebraucht, die schwule Männer davon überzeugen möchten, dass sie eigentlich heterosexuell sind – zumindest heterosexuell genug, um eine Beziehung mit einer heterosexuellen Frau führen.[5]

Girlfags dagegen lehnen die schwule Ausrichtung von Männern nicht ab. Homosexualität ist für Girlfags eine Eigenschaft, die Männer für sie besonders attraktiv macht. Sie erwarten von schwulen Männer nicht, heterosexuell zu werden. Sie möchten lieber selbst ganz oder teilweise als schwule Männer gesehen werden.

Die Einstellung von Girlfags gegenüber Beziehungen ist nicht vergleichbar mit der traditionellen Vorstellung von Mann-Frau-Beziehungen. Stattdessen richten Girlfags ihr Interesse auf Sexualpraktiken, die gewöhnlich mit Homosexualität verbunden werden, oder bevorzugen polyamoröse Situationen mit mehr als einem schwulen bzw. bisexuellen männlichen Partner.[6]

Da sich viele Girlfags als "schwuler Mann in einem weiblichen Körper" fühlen, ist der Begriff mit schwulen Transmännern (auch englisch Transfag genannt) verbunden. Die meisten Girlfags fühlen sich definitionsgemäß weder völlig männlich, noch streben sie ernsthaft nach einer Geschlechtsangleichung.[7] Manche bemerken jedoch erst, dass sie eigentlich Transmänner sind, nachdem sie sich als Girlfag geoutet haben.

Die Yaoi-Autorin Sakakibara Shihomi spekulierte, dass einige weibliche Yaoi-Fans (Fujoshi) eine schwule Geschlechtsidentität haben könnten: "In ihrem Buch Yaoi Genron (1998) beschrieb sich Sakakibara Shihomi selbst als schwuler Mann in einem weiblichen Körper (ein schwuler Transmann). Er_sie legt nahe, dass dieser Zustand bei Fans dieses Genres sehr häufig der Fall sein könnte und das der eigentliche Grund für die Existenz des Genres sein könnte". ("In her book Yaoi genron (1998), Sakakibara Shihomi […] describes herself as a gay man in a woman's body (a 'female-to-male gay' transsexual). S/he suggests that this condition may be quite common among fans of this genre and may in fact be the reason for its existence."[8])

Der kandische Biologe, Linguist und Autor Bruce Bagemihl zeigte Gemeinsamkeiten zwischen Fag Hags, schwulen Transmännern und weiblichen Slash-Fans auf. "Slash" ist eine weitere Art von schwuler erotischer Literatur von Frauen für Frauen, die mit den japanischen Yaoi vergleichbar ist. Er schrieb: "Es ist nichts Neues, dass sich Frauen als schwule Männer fühlen oder sexuelle Beziehungen zwischen Männern erotisieren und idealisieren. Tatsächlich finden wir in zwei unwahrscheinlichen Bereichen verblüffende Parallelen zu den Empfindungen, die schwule Transmänner zum Ausdruck bringen: Bei Fag Hags und bei K/S-Fanzines". ("There is nothing new about women identifying as gay men or eroticising and idealizing sexual relationships between men. In fact, striking parallels to the sentiments expressed by many female-to-gay male transsexuals can be found in two unlikely areas: 'fag-hagging' and K/S [Kirk/Spock] 'slash' fanzines."[9]) K/S-Fanzines steht hier für Magazine von Fans für Fans mit Geschichten über eine homoerotische Beziehung zwischen den eigentlich heterosexuellen Figuren Kirk und Spock aus der Fernsehserie Raumschiff Enterprise.

Girlfags in der Literatur und Forschung

Mehrere (weibliche) Autorinnen haben sich darauf spezialisiert, Erzählungen über schwule Männerbeziehungen zu schreiben, z.B. Mary Renault. Einige, wie Poppy Z. Brite, erklärten, dass sie durch das Schreiben eine männlich-schwule Geschlechtsidentität zum Ausdruck bringen würden.[10]

Eve Kosofsky Sedgwick war eine der wichtigsten US-amerikanischen Theoretikerinnen im Hinblick auf Gender Studies und Queer-Theory. Sie schrieb ausführlich über ihre schwul-männliche Geschlechtsidentität und Beziehungen mit schwulen Männern. Als Motivation für ihre Arbeit nannte sie:

"Wahrscheinlich der für mich prägendste Einfluss seit ziemlich frühen Jahren war eine tiefgehend-intensive, sehr spekulative (um nicht zu sagen originelle), queere Identifizierung mit schwulen Männern und der Schwulenbewegung, wie ich sie mir herleitete, weiter ausmalte und dann später real kennenlernte." ("Probably my own most formative influence from quite an early age has been a viscerally intense, highly speculative (not to say inventive) cross-identification with gay men and gay male cultures as I inferred, imagined, and later came to know them."[11])

Guydykes

Das Konzept männlicher Lesben erforschte der US-amerikanische Psychologe Brian G. Gilmartin bereits in den späten 1980ern.[12][13]

Die US-Fernsehserie The L Word – Wenn Frauen Frauen lieben (The L Word) machte das Konzept einem größeren Publikum bekannt, als die bisexuelle Frau Alice in der ersten Staffel kurzzeitig eine romantische Beziehung mit "Lisa" einght. "Lisa" ist ein Mann, der sich als Lesbe in einem männlichen Körper fühlt und sich deshalb "Lisa" nennt.[14]

Ein weiteres Beispiel für eine männliche Figur mit lesbischer Gefühlswelt ist Stuart ("Stu") aus der Comicserie Dykes to Watch Out For von Alison Bechdel. Obwohl Stu biologisch ein Mann ist, beschreibt ihn die Autorin als "mehr sterotyp-lesbisch als viele Leben" ("more stereotypically lesbian than many lesbians"). Die Figur Stu lebt in einer langfristigen Liebesbeziehung mit einer (weiblichen) Lesbe. [15]

In der queeren Subkultur nennt man einen Mann, der sich lesbisch fühlt, Guydyke. Etwa ab dem Jahr 2001 wurde der Begriff als Entsprechung zu Girlfag geprägt.[16] Die Ähnlichkeit der beiden Phänomene erzeugt eine gewisse Solidarität zwischen Girlfags und Guydykes. Guydykes beteiligen sich häufig in Diskussionsgruppen für Girlfags.

Der britische Komiker und Schauspieler Eddie Izzard ist ein bekannter Guydyke. In mehreren Interviews ließ er verlauten, dass er sich als als "lesbische Frau in einem männlichen Körper" ("a lesbian woman trapped in a man's body"[17]) fühle. Er nannte sich auch "männliche Lesbe" ("male lesbian"[18]).

Literatur

  • Brite, Poppy Z. (1998) “Enough Rope” in: Tuttle, Lisa [Hrsg.] Crossing the Border: Tales of Erotic Ambiguity. USA: Indigo Books; http://www.poppyzbrite.com/rope.html
  • Queen, Carol u. Schimel, Laurence [Hrsg.]: PoMosexuals. USA: Cleis Press (1997).
  • Greaney, Markisha (1999) A Proposal for Doing Transgender Theory in the Academy. In: More, Whittle [Hrsg.] Reclaiming Genders: Transsexual Grammars at the Fin de Siècle. London: Cassell
  • Hardy, Janet W.: Girlfag: A life told in sex and musicals, 2008.
  • Meyer, Uli: "ALMOST HOMOSEXUAL" – Schwule Frauen/ Schwule Transgender (GirlFags/Trans*Fags): http://www.liminalis.de/artikel/Liminalis2007_meyer.pdf
  • Meyer, Uli: “Hidden in Straight Sight – Transgressing Gender and Sexuality via Boys Love” in: Levi, McHarry, Pagliasotti: Girls Doing Boys Doing Boys: Japanese Boys’ Love Anime and Manga in a Globalized World, McFarland & Company. (in print).
  • Nagle, Jill: "MANLY, YES, BUT I LIKE IT TOO: A self-described 'girlfag' reveals the truth behind her yen for sex with gay men", BUST Magazine, Summer 2003
  • Rampling, Clare T.: "Who's that girlfag?" BUST Magazine, Summer 2003, S. 65
  • Sedgwick, Eve Kosofsky (1993): Tendencies. USA: Duke University Press.


Weblinks

Einzelnachweise

  1. »„ALMOST HOMOSEXUAL“ - Schwule Frauen/ Schwule Transgender (GirlFags/Trans*Fags)«  (PDF) – ausführlicher Artikel von Uli Meyer in liminalis.de (2007)
  2. Queen, Carol “Beyond the Valley of Fag Hags”; Nagle, Jill “Stroking my Inner Faggot”; in: Queen, Carol u. Schimel, Laurence [Hrsg.] (1997) PoMosexuals. USA: Cleis Press
  3. Meyer, Uli „Almost Homosexual – Schwule Frauen, Schwule Trans*Gender (GirlFags/Trans*Fags)“ http://www.liminalis.de/artikel/Liminalis2007_meyer.pdf; Jill Nagle, "MANLY, YES, BUT I LIKE IT TOO: A self-described 'girlfag' reveals the truth behind her yen for sex with gay men", BUST Magazine, Summer 2003.
  4. http://girlfags.chapso.de
  5. Bagemihl, Bruce (1997). “Surrogate Phonology and Transsexual Faggotry: A Linguistic Analogy for Uncoupling Sexual Orientation from Gender Identity”. In: Livia, Anna, and Hall, Kira [Ed.](1997). Queerly Phrased, Language, Gender, and Sexuality. Oxford: Oxford University Press; Moon, Dawne (1995) Insult and Inclusion: The Term Fag Hag and Gay Male Community. Social Forces, University of North Carolina Press. http://www.jstor.org/pss/2580489
  6. [http://www.liminalis.de/artikel/Liminalis2007_meyer.pdf
  7. http://girlfags.chapso.de/was-sind-girlfags-s360770.html
  8. Matthew Thorn: “Girls And Women Getting Out Of Hand: The Pleasure And Politics Of Japan's Amateur Comics Community,” (2004), 185 F 4, http://matt-thorn.com/shoujo_manga/outofhand/index.php#back8 (accessed August 10, 2009); Meyer, Uli: “Hidden in Straight Sight – Transgressing Gender and Sexuality via BL” in: Pagliasotti, McHarry, Girls Doing Boys Doing Boys: Japanese Boys’ Love Anime and Manga in a Globalized World, McFarland & Company (in print)
  9. Bagemihl, Bruce (1997). “Surrogate Phonology and Transsexual Faggotry: A Linguistic Analogy for Uncoupling Sexual Orientation from Gender Identity”. In: Livia, Anna, and Hall, Kira [Ed.](1997). Queerly Phrased, Language, Gender, and Sexuality. Oxford: Oxford University Press, p. 386
  10. Brite, Poppy Z. (1998) “Enough Rope” in: Tuttle, Lisa [Ed.] Crossing the Border: Tales of Erotic Ambiguity. USA: Indigo Books; http://www.poppyzbrite.com/rope.html
  11. Sedgwick, Eve Kosofsky (1993): Tendencies. USA: Duke University Press, p. 14; Meyer, Uli: “Hidden in Straight Sight – Transgressing Gender and Sexuality via BL” in: Levi, McHarry, Pagliasotti: Girls Doing Boys Doing Boys: Japanese Boys’ Love Anime and Manga in a Globalized World, McFarland & Company. (in print); Meyer, Uli: „Almost Homosexual – Schwule Frauen, Schwule Trans*Gender (GirlFags/Trans*Fags)“ http://www.liminalis.de/artikel/Liminalis2007_meyer.pdf
  12. Gilmartin, Brian G. (1987): Shyness & Love: Causes, Consequences, and Treatment. University Press of America, Inc., S. 125-127 http://www.love-shy.com/Gilmartin/Chapter05/Malelesbian.html
  13. Gilmartin, Brian G. (1987): Shyness & Love: Causes, Consequences, and Treatment. University Press of America, Inc., S. 273 http://www.love-shy.com/Gilmartin/Chapter11/Themalelesbianstate.html
  14. http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_characters_from_The_L_Word ; http://en.wikipedia.org/wiki/Alice_Pieszecki ; http://www.thelwordonline.com/synopsis_ep7.shtml ; http://www.thelword-online.de/?s=charaktere&name=Lisa
  15. http://dykestowatchoutfor.com/cast-biographies
  16. http://www.queerbychoice.com/clare.html
  17. http://news.bbc.co.uk/1/hi/entertainment/film/3720385.stm
  18. http://www.independent.co.uk/news/people/profiles/eddie-izzard-the-tough-transvestite-who-can-take-care-of-himself-564108.html