IHWO: Unterschied zwischen den Versionen

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Die IHWO (Hamburg) unterhielt zeitweise in Hamburg ein 'Clubzentrum' (ein Vorläufer späterer Schwulenzentren), das auch zu den finanziellen Problemen der Gruppe beitrug.
Die IHWO (Hamburg) unterhielt zeitweise in Hamburg ein 'Clubzentrum' (ein Vorläufer späterer Schwulenzentren), das auch zu den finanziellen Problemen der Gruppe beitrug.


Das erste Clubzentrum wurde im Mai 1971 in Hamburg-Altona eröffnet. Bereits nach einem Jahr zog das Clubzentrum nach Hamburg-Wandsbek um.
Das erste Clubzentrum wurde im Mai 1971 in Hamburg-Ottensen in einem Wohnhaus in der Bernadottestr. 1 eröffnet. Bereits nach einem Jahr zog das Clubzentrum nach Hamburg-Wandsbek um (Rossberg 35) - hier hatte das neue Clubhaus Bar und Tanzfläche sowie einen Diskussions- und Fernsehraum.


== Die IHWO Hamburg und die dänische IHWO ==
== Die IHWO Hamburg und die dänische IHWO ==

Version vom 30. März 2013, 15:35 Uhr

Die IHWO Internationale Homophilen-Welt-Organisation (Deutschland) war eine in Hamburg ansässige Homosexuellen-Organisation.

Geschichte der IHWO Hamburg 1969 bis 1974

1969 gegründet, 1974 aufgelöst. In ihrer aktivsten Zeit um 1973 hatte die IHWO etwa 800 Mitglieder (davon 1973 laut Wolfert (2010) ein Viertel über 50 Jahre alt) in sieben Regionalgruppen in Westdeutschland und Berlin.

Die IHWO wurde am 6. Oktober 1970 gegründet und am 1. Februar 1971 im Hamburger Vereinsregister eingetragen unter dem Namen 'Internationale Homophile Welt-Organisation - Gruppe Norddeutschland e.V.'. Mitglieder im fünfköpfigen Vorstand der IHWO waren bei Gründung 1970 Claus Fischdick (1939 - 1989; Vorsitzender; bis März 1972), Erhard Richter (*1927), Carl Stoewahs (1929 - 1993; bis März 1972), Henry Wörner (Schatzmeister) und Peter Corts (Beisitzer) und ab März 1972 Erhard Richter (*1927) und Ernst Herthnek (1909 - 1989). 1973 wurde der Verein umbenannt in IHWO - Verband für sexuelle Gleichberechtigung.

Ende 1973 erlebte die IHWO eine gravierende finanzielle Krise, ausgelöst u.a. durch starken Mitgliederverlust (Austritte). Anfang 1974 sollen sich die Schulden der Gruppe auf rund 18.500 DM belaufen haben.

Einige ehemalige IHWO-Mitglieder gründeten am 6. Oktober 1974 den Verband von 1974 (Vv '74), der bis zur Löschung aus dem Vereinsregister am 13. Augsut 1992 bestand (aber zuvor schon einige Jahre nicht mehr aktiv war).

Das Clubzentrum der IHWO

Die IHWO (Hamburg) unterhielt zeitweise in Hamburg ein 'Clubzentrum' (ein Vorläufer späterer Schwulenzentren), das auch zu den finanziellen Problemen der Gruppe beitrug.

Das erste Clubzentrum wurde im Mai 1971 in Hamburg-Ottensen in einem Wohnhaus in der Bernadottestr. 1 eröffnet. Bereits nach einem Jahr zog das Clubzentrum nach Hamburg-Wandsbek um (Rossberg 35) - hier hatte das neue Clubhaus Bar und Tanzfläche sowie einen Diskussions- und Fernsehraum.

Die IHWO Hamburg und die dänische IHWO

Die "International Homosexual World Organisation" IHWO wurde Anfang der 1950er Jahre (um 1952) in Kopenhagen von Axel Lundahl Madsen und Eigil Eskildsen gegründet, zunächst unter dem Namen 'International Hobbyclubs World Organisation'. In den Anfangsjahren war die dänsiche IHWO zunächst, wie Wolfert (2010) bemerkt, "eine Verkaufszentrale für homoerotisches Bildmaterial" und "Vermittlungsorganisation für private Kontakte". Ab Mitte der 1960er Jahre arbeitete die Gruppe auch politisch. Sie wies Mitte der 1960er Jahre ca. 2.400 Mitglieder auf, bei ca. 16.000 Kunden weltweit.

Am Anfang der Hamburger IHWO steht ein Arbeitskreis, der sich in Anlehnung an den Namen der international vertriebenen Mitgliederzeitschrift der dänischen IHWO zunächst UNI nannte. Ab Juni 1970 nannte sich dieser Arbeitskreis 'IHWO Hamburg'. Wolfert (2010) bemerkt "soweit bekannt, nahm niemand von ihnen [Hamburger IHWO-Aktivisten] an den dänischen internationalen Treffen teil".

Die IHWO und der Praunheim-Film

Rosa von Praunheims Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" wurde am 3. Juli 1971 im Rahmen der Berlinale uraufgeführt. In Hamburg wurde er erstmals am 2. Dezember 1971 im Abaton-Kino gezeigt. Zwei Tage vorher, die Ausstrahlung im Fernsehen war für den Herbst angekündigt, forderte die IHWO den WDR per Brief auf, Praunheims Film nicht auszustrahlen. Werde der Film gesendet, habe dies "für die Homosexuellen verheerende Wirkungen"; sie würden in ihren bisherigen Bemühungen um Anerkennung weit zurück geworfen. Kurz nach dem ersten Brief der IHWO schrieben die beiden Vorstände Carl Stoewahs und Claus Fischdick erneut an den WDR, diesmal als Privatpersonen, betonten ihre Bedenken, dass der Praunheim-Film Klischeevorstellungen von Homosexuellen verfestigen würde. Sie forderten den WDR auf, ein zuvor gegebenes Interview der beiden nicht zu senden. Zwei weitere Briefe der IHWO sowie beider als Privatpersonen an den WDR folgten am 23. Dezember 1971, erneut Bedenken vortragend. Praunheims Film wurde im Januar 1972 ausgestrahlt - im Sendebereich des WDR, zuvor war er aus dem Gemeinschaftsprogramm der ARD gestrichen worden.

Bei einem Treffen West-Berliner IHWO-Interessenten, zu dem der Hamburger Vorstand angereist war, kam es zum Eklat: Praunheim und Begleiter waren anwesend, kritisierten die Arbeit der IHWO als "zu etabliert". Kurze Zeit später stellten sich die IHWO-Vorstände Carl Stoewahs und Claus Fischdick nicht mehr zur Wiederwahl.

Im Januar 1973 wurde der Praunheim-Film endlich bundesweit ausgestrahlt (Bayern blendete sich aus), gefolgt von einer 100minütigen Diskussionssendung mit u.a. Rosa von Praunheim und Martin Dannecker. Im Studio anwesend war auch der neue IHWO-Vorstand Erhard Richter, der sich jedoch nicht aktiv an der Diskussion beteiligte.

Nach der bundesweiten Ausstrahlung des Praunheim-Films begründete der IHWO-Vorstand die Ablehnung von Praunheims (als Sensationsmache kritisierten) Film, dieser sei "als gesellschaftliches Mittel absolut ungeeignet, die allgemeine Haltung Homosexuellen gegenüber zu revidieren". Nicht alle Mitglieder allerdings folgten dem IHWO-Vorstand in seiner Einschätzung des Films, einige kritisierten ein fantastisches Fehlverhalten unserer Vertreter, andere bemerkten es seien künstliche Fronten geschaffen worden.

Die Folgen skizziert Wolfert (2010) mit seiner Bemerkung, Praunheims Film sei "der Stein des Anstoßes, an dem die Organisation zerbrechenn sollte'"'.

vertuschter Eklat im 'Reichshof'

Im Bundestags-Wahlkampf 1972 veranstaltet die IHWO im renommierten Hotel Reichshof in Hamburg eine mit 200 bis 300 Teilnehmern sehr gut besuchte Diskussions-Veranstaltung zum Thema Strafrecht. Als Gäste: der Jurist und Politiker Claus Arndt (SPD), der Rechtsanwalt und ehemalige Chefjustitiar des ‘Springer’-Verlags Herman Ferdinand Arning (FDP) sowie der Jurist und Politiker Dietrich-Wilhelm (‘Didi’) Rollmann (CDU).

Dietrich-Wilhelm Rollmann, verheiratet und Vater einer Tochter, war langjähriger jugendpolitischer Experte der CDU, Gründer des Hamburger Christlich- Demokratischen Hochschulrings (CDH, später RCDS), von März 1968 bis Mai 1974 Landesvorsitzender der CDU Hamburg.

Der damals 19jährige Corny Littmann sorgte auf der Veranstaltung für einen Eklat – und einen der bekanntesten Fälle von Politiker – Outing der 1970er Jahre. Corny Littmann erinnert sich im Oktober 2004: “Ich meldete mich zu Wort und sagte, dass kürzlich in der Zeitung stand, es sollen sich alle bekennen, warum, Herr Rollmann, bekennen Sie sich nicht zu Ihrer Homosexualität. Das war ein irrer Moment, es waren ungefähr 200 Schwule anwesend, alle wußten, dass Didi Rollmann schwul ist, das war gar nicht zu verbergen.”

Die Veranstaltung wurde unterbrochen. Rollmann (der von SPD-Politiker Arndt schon vor der Veranstaltung gewarnt worden war) beriet sich mit Parteifreunden. Rollmanns Outing durch Corny Littmann wurde vertuscht. Anwesende Journalisten wurden mit Unterstützung des Vorstands der IHWO um Stillschweigen gebeten, der Tonbandmitschnitt der Veranstaltung wurde später vernichtet.

Einordnung

Die IHWO e.V. (Hamburg) war nie - wie ihr Name es vorgibt - eine internationale, geschweige denn eine 'Welt-Organisation'. Ihrem hohen Anspruch wurde sie in dieser Hinsicht nicht gerecht. Über regionale Bedeutung kam die Gruppe kaum hinaus.

Trotz ihrer Gründung 1969 ('Nachseptember' nach der Grossen Strafrechtsreform) wird die IHWO nicht der westdeutschen Schwulenbewegung der 1970er Jahre (der sie selbst sehr skeptisch gegenüber stand) zugerechnet. Von Auftreten und Grundhaltung her kann sie eher als der Homosexuellen-Bewegung 1950er- und 1960er-Jahre zugehörig betrachtet werden.

Dennoch - es gab auch Zusammenarbeit mit der 'studentischen Schwulenbewegung': an der ersten Homosexuellen-Demonstration Westdeutschlands im April 1972 in Münster nahmen auch Mitglieder und auch Vorstandsmitglieder der IHWO teil.

Literatur

  • Raimund Wolfert: "Gegen Einsamkeit und ‹Einsiedelei› - Die Geschichte der Internationalen Homophilen Welt-Organisation", Hamburg 2009
  • Raimund Wolfert: "'Sollen wir der Öffentlichkeit noch mehr Anlass geben, gegen die 'Schwulen' zu sein? - Zur Position der Internationalen homophilen-Welt-Organisation (IHWO)". in: Pretzel / Weiß: Ohnmacht und Aufbegehren. Homosexuelle Männer in der frühen Bundesrepublik. Hamburg 2010
  • “Der Fall Didi Rollmann” in: Rosenkranz/Lorenz, Hamburg auf anderen Wegen – Die Geschichte des schwulen Lebens in der Hansestadt, 2. überarbeitete Auflage Hamburg 2006


Weblinks