Paragraph 175: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 1. Oktober 2006, 13:57 Uhr

Der Paragraph 175 des deutschen Strafgesetzbuchs (§ 175 StGB-Deutschland) existierte vom 15. Mai 1871 bis zum 11. Juni 1994. Er stellte sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe. Bis 1969 bestrafte er auch die „widernatürliche Unzucht mit Tieren“ (ab 1935 nach Paragraph 175b ausgelagert). Insgesamt wurden etwa 140.000 Männer nach den verschiedenen Fassungen des Paragraphen 175 verurteilt.

1935 verschärften die Nationalsozialisten den Paragraphen 175, unter anderem durch Anhebung der Höchststrafe von sechs Monaten auf fünf Jahre Gefängnis. Darüber hinaus wurde der Tatbestand von beischlafähnlichen auf sämtliche „unzüchtigen“ Handlungen ausgeweitet. Der neu eingefügte Paragraph 175a bestimmte für „erschwerte Fälle“ zwischen einem und zehn Jahren Zuchthaus.

Die DDR kehrte 1950 zur alten Fassung des Paragraphen 175 zurück, beharrte aber gleichzeitig auf einer weiteren Anwendung des Paragraphen 175a. Ab Ende der 50er Jahre wurde einfache Homosexualität unter Erwachsenen nicht mehr geahndet. 1968 erhielt die DDR ein eigenes Strafgesetzbuch, das in Paragraph 151 homosexuelle Handlungen mit Jugendlichen sowohl für Frauen als auch für Männer unter Strafe stellte. 1988 wurde dieser Paragraph ersatzlos gestrichen.

Die Bundesrepublik hielt zwei Jahrzehnte lang an den Fassungen der Paragraphen 175 und 175a aus der Zeit des Nationalsozialismus fest. 1969 kam es zu einer ersten, 1973 zu einer zweiten Reform. Seitdem waren nur noch homosexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren strafbar. Nach einer gescheiterten Gesetzesinitiative der Grünen in den 80er Jahren wurde der Paragraph 175 im Zuge der Rechtsangleichung mit der ehemaligen DDR erst 1994 aufgehoben.

Wortlaut der Fassungen des Paragraphen 175

Fassung vom 15. Mai 1871

§ 175 Widernatürliche Unzucht

Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

Juristische Erläuterungen dazu (1913)

  1. Sog. Päderastie, Bestialität, Sodomie; nicht die Tribadie (Unzucht zwischen Frauen)
  2. Die widernatürliche Unzucht erfordert einen dem natürlichen Beischlaf ähnlichen Vorgang; immer muß das entblößte Glied des einen Täters den Körper des anderen berührt haben; dies braucht nicht entblößt gewesen zu sein.
  3. Unter § 175 fällt auch, wer den Geschlechtsteil eines anderen in den Mund nimmt, nicht wechselseitige Onanie.
  4. Es genügt, wenn einer der beiden die Befriedigung des Geschlechtstriebes anstrebt; doch ist auch der andere als Täter, nicht nur als Gehilfe strafbar. Die Befriedigung braucht nicht eingetreten zu sein, daß beide vorsätzlich gehandelt haben, ist nicht erfordert.
  5. Auch bei der sodomia tarione generis ist ein beischlafähnlicher Akt erforderlich, daher nicht genügend, daß sich eine Frau den Geschlechtsteil von einem Hunde belecken laßt.
  6. Idealkonkurrenz mit §§ 173, 174, 176, 178 möglich
  7. Zuständig: Strafkammer
Quelle: Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich nebst dem Einführungsgesetz in kurzen Erläuterungen, bearbeitet von Dr. Hermann Göbel, Direktor am Landgericht I zu Berlin, Verlag C. L. Hirschfeld, Leipzig 1913

Fassung vom 28. Juni 1935

§ 175 Unzucht zwischen Männern

(1) Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft.
(2) Bei einem Beteiligten, der zu Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, kann das Gericht in besonders leichten Fällen von Strafe absehen.

§ 175a Erschwerte Fälle

Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten wird bestraft:

  1. ein Mann, der einen anderen Mann mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nötigt, mit ihm Unzucht zu treiben, oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
  2. ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
  3. ein Mann über einundzwanzig Jahre, der eine männliche Person unter einundzwanzig Jahren verführt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
  4. ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht mißbrauchen läßt oder sich dazu anbietet.

§ 175b Sodomie

Die widernatürliche Unzucht, welche von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

Quellen:

  • Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen und Erläuterungen, von Dr. Eduard Kohlrausch, Professor des Strafsrechts in Berlin und Dr. Richard Lange, Professor des Strafrechts in Jena, 38. Auflage, Walter de Gruyter & Co, Berlin 1944
  • Strafgesetzbuch, hrsg. von Dr. Lothar Dombrowski, Rechtsanwalt und Prof. Heinrich Henkel, Rechtsanwalt, W. Kohlhammer-Verlag, Stuttgart und Köln 1950

Fassung ab 1949 (DDR)

§ 175 – Widernatürliche Unzucht

Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestraften; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

§ 175 a – Schwere Unzucht zwischen Männern

Mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter 3 Monaten wird bestraft,

  1. ein Mann, der einen anderen Mann mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben nötigt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich mit ihm zur Unzucht missbrauchen zu lassen;
  2. ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen zu lassen;
  3. ein Mann über einundzwanzig Jahren, der eine männliche Person unter einundzwanzig Jahren verführt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen zu lassen;
  4. ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht missbrauchen läßt oder sich dazu anbietet.

Quelle: Strafgesetzbuch und andere Strafgesetze, hrsg. von dem Ministerium der Justiz der Deutschen Demokratischen Republik, Deutscher Zentralverlag, Berlin 1951

Fassung ab 1968 (DDR, § 151)

§ 151

Ein Erwachsener, der mit einem Jugendlichen gleichen Geschlechts sexuelle Handlungen vornimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung bestraft.

Quelle: Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik, herausgegeben vom Ministerium der Justiz, 8. Auflage, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1984

Fassung vom 25. Juni 1969 (BRD)

§ 175 Unzucht zwischen Männern

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren wird bestraft:

  1. ein Mann über achtzehn Jahre, der mit einem anderen Mann unter einundzwanzig Jahren Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt,
  2. ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen,
  3. ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht mißbrauchen läßt oder sich dazu anbietet.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist der Versuch strafbar.
(3) Bei einem Beteiligten, der zur Zeit der Tat noch nicht 21 Jahre alt war, kann das Gericht von Strafe absehen.

§ 175b wird aufgehoben.

Fassung vom 23. November 1973 (BRD)

§ 175 Homosexuelle Handlungen

(1) Ein Mann über achtzehn Jahren, der sexuelle Handlungen an einem Mann unter 18 Jahren vornimmt oder von einem Mann unter 18 Jahren an sich vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn

  1. der Täter zur Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war oder
  2. bei Berücksichtigung des Verhaltens desjenigen, gegen den die Tat sich richtet, das Unrecht der Tat gering ist.

Fassung vom 10. März 1994

§ 175: Homosexuelle Handlungen

aufgehoben

Fassung vom 13. November 1998

§ 175 (weggefallen)


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