Ecce homo
Mit dem Ausspruch Ecce homo (klassische Aussprache [ˈɛkːɛ ˈhɔmoː], deutsche Aussprache auch [ˈɛktsə ˈhοːmo]) stellt der römische Statthalter Pontius Pilatus nach dem Johannesevangelium (Joh 19,5) den zuvor gefolterten Jesus der versammelten Menge vor. Jesus trägt dabei ein purpurnes Gewand und eine Dornenkrone auf dem Kopf.
Übersetzungen und christliches Motiv
Im ursprünglich griechischen Text des Johannesevangeliums lautet der Spruch Ἰδοὺ ὁ ἄνθρωπος (idú ho ánthropos) und bedeutet „Siehe, der Mensch“, wie er auch in der Elberfelder Bibel widergegeben wird. Die lateinische Version „ecce homo“ stammt aus der Vulgata und ist von dort in die christliche Tradition und die Kunstgeschichte eingegangen. In anderen deutschen Bibelübersetzungen wird der Text verschieden dargestellt:
- „Sehet, welch ein Mensch.“ (Lutherbibel)
- „Seht, da ist der Mensch!“ (Einheitsübersetzung)
- „Hier ist er, der Mensch!“ (Neues Leben)
- „Seht ihn euch an, diesen Menschen!“ (Hoffnung für Alle)
- „Da, seht ihn euch an, den Menschen!“ (Gute-Nachricht-Bibel)
In der christlichen Kunst gibt es zwei Bildmotive, welche mit dem Begriff bezeichnet werden:
- Das eine ist die eigentliche Szene aus dem Johannesevangelium mit zumindest Pilatus und Jesus sowie meist auch das versammelte Volk.
- Das andere Motiv zeigt Jesus als stehende einzelne Halbfigur oder Ganzfigur mit Purpurmantel, Lendentuch, Dornenkrone und Folterverwundungen.
- Auf manchen Bildern sind auch die Wundmale der Kreuzigung zu sehen, dann spricht man genauer vom Schmerzensmann (auch Erbärmdebild oder Miserikordienbild).
- Ist Christus sitzend dargestellt, dann spricht man genauer vom Christus in der Rast.
Abänderungen
Manche Künstler deuteten das Motiv um. Albrecht Dürer stellte den leidenden Christus in seiner Großen Passion in auffälliger Nähe zu seinem Selbstporträt von 1498 dar und ließ so eine Umdeutung des Motivs in eine Metapher für das Leiden des Künstlers zu. James Ensor benutzt das Motiv 1891 in seiner beißend ironischen Graphik Christus und die Kritiker, wo er sich selbst als Christus portraitiert, als Symbol für die Ungerechtigkeit der Kritik. Besonders im 19. und 20. Jahrhundert wird das Ecce-homo-Motiv als Bild für das Leiden und die Entwürdigung des Menschen durch Gewalt und Krieg in seiner Bedeutung erweitert.
Schwuler Kontext
Durch die Bedeutung „Sieh(e welch) ein Mensch!“ und als Wortspiel (lat. homo = „Mensch“ = „Mann“, griech. homos = „gleich“, Kurzform für Homosexueller) wird Ecce homo immer wieder für Projekte und Werke in der schwulen Szene, und Zeitungsartikel über Homosexualität verwendet. Manchmal spielt dabei auch Religion oder Leiden eine Rolle.
- Um 1976 herum gab es ein us-amerikanisches Pronoheft mit dem Titel Ecce Homo - The Magazine of sexual awarness for the gay male, welches bei Academy Press erschien.[1]
- Als Reaktion auf die Unterstützung des Vatikans für Latein als Europäische Sprache generierte Miles Kington das humoristische Latin Tourist Phrase Book, welches am 27. Juni 1979 in Punch erschien. Ecce homo steht darin für Gay bar.[2][3]
- In einem siebenminütigen Kurzfilm von Jerry Tartaglia aus dem Jahre 1989 werden Bilder aus Jean Genets Film Un Chant d'Amour mit Bildern aus Pornofilmen vermischt.[4]
- Die Highways Performance Space and Gallery in Santa Monica veranstaltete von 1989 bis 2004 jährlich im Juli das dreitägige Festival EcceLesbo/Ecce Homo mit Performances von herausragenden schwulen, lesbischen und transgeder Künstlern. Insgesamt waren es sechs Wochen.[5][6][7]
- Von 1996 bis 2008 existierte in Wien ECCE HOMO, ein „Verein für Kultur, Politik & Medien“. Er organisierte das jährliche Festival „Wien ist andersrum“ rund um die Regenbogenparade. Es wurde von 1996 bis 2001 von Jochen Herdieckerhoff aufgebaut. Nach dem Europride 2001 wurde es von Hannes Sulzenbacher, der das Festival schon seit 1998 mitorganisierte, bis 2004 weitergeleitet. 2003 fiel es aus finanziellen Gründen aus. Danach begann die Arbeit zur 2005/2006 in der Neustifthalle zu sehenden Ausstellung geheimsache : leben. Schwule und Lesben im Wien des 20. Jahrhunderts, die erste historische Ausstellung über homosexuelles Leben in Österreich. Mit der Zeit änderten sich die Prioritäten und 2008 benannte sich der Verin in QWIEN KULTUR um (sprich: Queen) und ist Teil des Zentrums für schwul/lesbische Kultur und Geschichte.[8][9]
- Von 1998 bis 2004 existierte ECCE HOMO!, die „LesBiSchwule Hochschulgruppe an der Universität Bayreuth“ bzw. der „LesBiSchwuler Arbeitskreis des Studentischen Konvents der Uni Bayreuth“.[10] Seit April 2005 findet im Rahmen des wöchentlichen Stammtisches GAYreuth auch ein Ecce Homo!-Stammtisch statt.
- Eine europaweit kontrovers diskutierte Wanderausstellung der schwedischen Fotografin Elisabeth Ohlson Wallin aus dem Jahre 1998 zeigt zwölf Fotografien, die Jesus zusammen mit Homosexuellen darstellten und sich an bekannte Darstellungen der bildenden Kunst anlehnten. Das biblische Ecce-homo-Motiv war nicht unter den Bildern vertreten.
- Das 2001 erschienene erste Album der kanadischen Queercore-/Pop-Band The Hidden Cameras trägt den Titel Ecce Homo. (-> Ecce Homo in der englischen Wikipedia)
- Im Jahre 2001 erschien der Männererotische Fotobildband Ecce Homo von Africa Guzman.[11]
- Ein französischer Kurzfilm von Remy Yadan aus dem Jahre 2003 trägt ebenfalls den Titel Ecce homo und gibt "Einblicke in einen mannmännlichen Raum, wo Auge und Wort keinen Zutritt haben."[12]
- In der 2008 von Thomas Glave herausgegebenen Antologie Our Caribbean: A Gathering of Lesbian and Gay Writing erzählt Michelle Cliff in der Geschichte Ecce Homo die Geschichte zweier Liebhaber im Rom zur Zeit des 2. Weltkriegs.[13]
- Presse:
- Im April 1995 veröffentlicht Dale Peck in der Zeitung Voice Literary Supplement unter dem Titel Ecce Homo eine Rezension über das Buch Homo von Leo Bersani.[14]
- Richard Canning: Ecce Homo, Los Angeles Times, 20. August 2000
- Michael Jäger: (Wochenthema) Ecce Homo, Der Freitag, 8. April 2009; über Homosexualität-Bibel-Kirche-Sünde
- Erin Lynch: Ecce Homo - Barack Obama and the audacity of homosexuality, The New Haven Advocate, 17. April 2008
- Matthias Oloew: Homosexualität - Ecce homo, Der Tagesspeigel, 24. Mai 2008; über das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen
- Assays:
- Connell O'Donovan: Ecce Homo - Ruminations on a Theology of My Queer Body, 1996
Einzelnachweise
- ↑ Ecce Homo Magazine Vol. 2 No. 1, creativevisionsbooks.com
- ↑ Miles Kingston’s LATIN TOURIST PHRASE BOOK, rorkesdriftvc.com, Ersterscheinung: Punch, 27. Juni 1979
- ↑ Latin Tourist Phrase Book compiled by Miles Kington, Umstrukturiert: 9. Dezember 2005
- ↑ Ecce Homo (1989), imdb.com
- ↑ About Highways - Additional Festivals/Activities,
- ↑ Janice Arkatov: Spirited July Offerings Run Gamut From 'Intimacy' to 'Fierce Love', Los Angeles Times, 7. Juli 1991
- ↑ Linda Frye Burnham: Getting on the Highways: Taking Responsibility for the Culture in the '90s, Journal of Dramatic Theory and Criticism, Herbst 1990, S. 274 (PDF-S. 10), journals.ku.edu
- ↑ Rückblick auf Ecce Homo, qwien.at
- ↑ geheimsache:leben schwule und lesben im wien des 20. jahrhunderts, Homosexuelle Initiative Salzburg, 14. November 2005
- ↑ "ECCE HOMO!" sagt zum Abschied leise Servus, bayreuth.gay-web.de/eccehomo/, 14. Januar 2004
- ↑ Africa Guzman: Ecce Homo, Vertigo Publishers, 2002, ISBN 84-95709-00-7
- ↑ KURZFILMBLOCK 1, queersicht.ch/2006
- ↑ Thomas Glave (Hrsg.): Our Caribbean: A Gathering of Lesbian and Gay Writing, Duke University Press, 2008, ISBN 0-8223-4226-X
- ↑ CURRICULUM VITAE FOR DALE PECK, 13. Oktober 2009, dalepeck.com