Rosa Liste

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Dieser Artikel behandelt Datensammlungen von Behörden.

Für die politische Gruppierung siehe Rosa Liste München.


Rosa Liste ist die Bezeichnung für Listen, die von Strafverfolgungsbehörden geführt wurden/werden und der Sammlung von Daten über – tatsächliche oder vermeintliche – Homosexuelle dient(e). Der Begriff ist vermutlich in Anlehnung an Schwarze Liste gebildet. Seit dem Kaiserreich gab es in Deutschland Listen von männlichen Homosexuellen, die die Polizei angelegt hatte, um die Verfolgung von Straftaten gegen § 175 zu erleichtern.

Die Entstehung der "Rosa Listen"

Die Erfassung, Bearbeitung und Verfolgung von Straftaten sowie die präventive Verbrechensbekämpfung wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend bei der Kriminalpolizei konzentriert. Sie nutzte schon früh die Möglichkeiten von Wissenschaft und Technik für ihre Arbeit. Kriminaltechnische Methoden führten dazu, dass Listen und Karteien angelegt wurden, die schon bald in Spezialkarteien untergliedert wurden.

Bereits im 19. Jahrhundert entstanden erste "Homosexuellenlisten" bzw. "Listen der homosexuell Verdächtigen" – so die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts üblichen Bezeichnungen. Weibliche Homosexuelle wurden darin allerdings nicht registriert, da § 175 sexuelle Handlungen zwischen Frauen nicht mit Strafe bedrohte.

Der Begriff "Rosa Liste" entstand vermutlich erst nach der NS-Zeit, in Anlehnung an den Rosa Winkel, den männliche Homosexuelle in den Konzentrationslagern tragen mussten.

Kaiserreich

Zum ersten Mal erwähnte 1869 Karl Heinrich Ulrichs „Urningslisten“ der Polizei: "Mir wird mitgetheilt, die Berliner Polizei führe geheime Listen und fortlaufende Personalnotizen über mehr als 2000 in Berlin wohnende Urninge."

1898 wies August Bebel, Vorsitzender der SPD und Unterzeichner der ersten Petition des Wissenschaftlich-humanitären Komitees zur Abschaffung des § 175 im Reichstag darauf hin, dass die Berliner Polizei Listen mit Namen von Homosexuellen führe:

Die Zahl dieser Personen ist aber so groß und greift so in alle Gesellschaftskreise, von den untersten bis zu den höchsten, ein, daß, wenn die Polizei pflichtmäßig ihre Schuldigkeit thäte, der preußische Staat sofort gezwungen würde, allein, um das Verbrechen gegen § 175, soweit es in Berlin begangen wird, zu sühnen, zwei neue Gefängnißanstalten zu bauen.

Da eine konsequente Anwendung unmöglich sei, forderte Bebel, den § 175 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.

In zeitgenössischen Publikationen gibt es zahlreiche Hinweise auf polizeiliche Homosexuellenlisten, konkrete Angaben fehlen aber. Nach dem WHK soll dass Verbrecheralbum Berlin zum Jahresabschluss 1905 Photographien von 663 Päderasten umfasst haben. Die meisten Informationen stammen allerdings aus zweiter Hand. Originale und Akten sind mit einer Ausnahme nicht bekannt.

NS-Zeit

Die von der Polizei der Weimarer Republik gesammelten Datenbestände fielen nach 1933 den Nazis in die Hände. Sie waren ein wichtiges Hilfsmittel bei der Verfolgung der Homosexuellen durch Gestapo und Kripo. Diese historische Erfahrung ist einer der Gründe, warum Homosexuelle später in der Bundesrepublik außerordentlich sensibel waren und sind, was die Erfassung ihrer Daten angeht. Bei allen Stapo- und Kripobehörden wurden die einfachen Karteien durch Lichtbildkarteien ergänzt.

Die Anonymität der Sexualpartner, was Namen und private Adressen betraf, konnte auf diese Weise aufgebrochen werden. Aus Düsseldorf wird berichtet, dass der Strichjunge und Erpresser Franz A. die dortige Lichtbildkartei der Homosexuellen durchsehen musste, um Freier und Kollegen zu bezeichnen. „Mir wurden 432 Fotos von Düsseldorfer Homosexuellen und Strichjungen vorgelegt, ich erkläre, dass ich mit keinem der gezeigten Personen irgend etwas gehabt habe.“

Zusätzlich zu den allgemeinen Datensammlungen über Homosexuelle wurden bei den Polizeistellen Spezialkarteien angelegt, wie z. B. die Strichjungenkartei. Stricher galten als eine besondere Gefahr, da sie für die „Verbreitung“ der Homosexualität mit verantwortlich gemacht wurden.

Bundesrepublik seit 1945

Entgegen den Hoffnungen vieler Homosexueller blieb § 175 nach 1945 weiter in Kraft, und zwar in der von den Nazis verschärften Fassung. Karteien, die im Krieg nicht vernichtet worden waren, wurden von der Kripo auch in der Bundesrepublik weiter benutzt. 1969, als einvernehmliche homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen straffrei gestellt wurden, waren in München 3000 und in Westberlin 4500 Männer karteimäßig erfasst.

Auch nach diesem Zeitpunkt wurde die Sammlung der Daten von Homosexuellen fortgesetzt. In der Zeitschrift „Kriminalistik“ hatte ein Staatsanwalt kurz vor der Reform des § 175 zu bedenken gegeben:

„Wenn auch der § 175 StGB möglicherweise abgeschafft wird, so wäre doch zu erwägen, ob nicht im Interesse der Allgemeinheit, insbesondere der männlichen Jugend, eine gewisse polizeiliche Registrierung und Überwachung des entsprechenden Personenkreises beibehalten werden sollte. (...) Es geht nichts über ein mit griffelspitzischer Sorgfalt geführtes Homosexuellenregister. Denn aus diesen Kreisen, das ist nun einmal nicht zu leugnen, kommen die gefährlichen pädophilen Triebtäter.“

Die Kriminalstatistiken der letzten Jahre stehen zu diesem verengten Täterprofil im Widerspruch.

Eintragungen im Strafregister wurden nach 1969 tatsächlich gelöscht. Die polizeilichen Datensammlungen wurden allerdings nicht oder nur teilweise vernichtet. Der Datenschutzbeauftragte für Nordrhein-Westfalen bestätigte 1980, dass „eine generelle Bereinigung dieser Altakten nicht stattgefunden” hat - “wegen des Umfangs des zu überprüfenden Aktenbestands“.

Bis in die 2. Hälfte des Jahres 2005 wurden in einigen Bundesländern (u.a. Bayern, Berlin, Brandenburg, NRW, Sachsen und Thüringen) Rosa Listen geführt. Die Einträge in den Datenbanken sollen inzwischen alle gelöscht sein und neue Daten dürfen nicht mehr erfasst werden.

Die europäische Polizeibehörde Europol darf Informationen über die sexuelle Orientierung von Personen speichern.

Weblinks


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