Protease-Hemmern

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Protease-Inhibitoren (PI) sind eine Gruppe von Arzneistoffen, die zur Behandlung von HIV-Infektionen und allgemein gegen Retroviren eingesetzt werden (PI gegen das Hepatitis-C-Virus befinden sich im Entwicklungsstadium). Sie wirken, indem sie die virale Protease hemmen.

HIV-Protease

Es handelt sich um ein Enzym, das in der viralen RNA kodiert ist. Bei der Bildung neuer Viren spielt es eine entscheidende Rolle, da es das Zerschneiden von sogenannten Vorläuferproteinen katalysiert. Das HI-Virus benötigt für seine Ausbreitung eine Reihe von Proteinen, die bei der Vermehrung zunächst in Form dieser Vorläufer-Proteinen synthetisiert werden. Erst aus den Bruchstücken dieses großen Proteins werden anschließend neue Viruspartikel zusammengesetzt. Wird die Funktion der HIV-Protease von Inhibitoren unterdrückt, so kann das Vorläuferprotein nicht oder nur an den falschen Stellen zertrennt werden und zur erfolgreichen Virusreproduktion fehlen die nötigen funktionellen Bauteile.

Das Enzym spaltet die funktionsuntüchtigen Polyproteine besonders bei hydrophoben und aromatischen Aminosäuren, sowie Prolinen, in der P2-Region vor allem Asparagin, in der P1-Region Tyrosin und Phenylalanin und in der P1'-Region Prolin.

Funktionsweise der Protease-Inhibitoren

Protease-Inhibitoren sind dem Enzym Protease an einer gewissen Stelle der Aminosäuresequenz nachempfunden. Sie besetzen damit die Bindungsstelle für die Protease am Substrat (Vorläuferprotein) und verhindern, daß diese ihre Wirkung entfalten kann. Es können nicht mehr die richtigen Virusbausteine produziert werden, der Virus-Replikationszyklus ist unterbrochen.

Der menschliche Organismus setzt auch in seinem natürlichen Stoffwechsel Proteasen ein, wie etwa Renin, Cathepsin D, Elastase, Faktor Xa. Diese unterscheiden sich aber von der viralen Protease so stark, dass sie durch Protease-Inhibitoren nicht in ihrer Wirkung beeinträchtigt werden.

Indikation

Protease-Inhibitoren sind zur Therapie von HIV-Infektionen zugelassen. Grundsätzlich kommen sie in Kombination mit anderen antiretroviralen Arzneimitteln (NRTI, NNRTI) zur Anwendung. Ein großer Nachteil in der Praxis stellt die hohe Dosierung dieser Medikamente dar. Um die wirksame Dosis zu erhalten müssen drei Mal täglich mehrere Tabletten eingenommen werden. Die Entwicklung ging daher dahin, die Bioverfügbarkeit der einzelnen Vertreter zu erhöhen oder angenehmere Darreichungsformen zu entwickeln.

Entwicklung

Die Hemmung der viralen Protease wurde erreicht, indem man versuchte, durch Nachbau der peptidische Struktur eine hohe Affinität zum katalytischen Zentrum der HIV-Protease herzustellen, gleichzeitig aber die Struktur so zu modifizieren, dass sie nicht im Magen-Darmtrakt gespalten werden kann. Der erste Vertreter auf dem Markt war Saquinavir (Erstzulassung 1995). Dieser Arzneistoff hatte den Nachteil einer sehr geringen Bioverfügbarkeit, weshalb sehr hohe Dosen (auf mehrere Tabletten verteilt) in möglichst genau eizuhaltenden Zeitabständen von acht Stunden einzunehmen waren. Der zweite Protease-Inhibitor Indinavir (Erstzulassung 1996) brachte in dieser Hinsicht keine Verbesserung. Da es sich bei der antiretroviralen Kombinationstherapie um eine lebenslange Behandlung handelt, waren Modifikationen erwünscht, die zu einer verbesserten Patienten-Compliance, also komfortablerer Anwendung führen. Der dritte Vertreter, Ritonavir (Erstzulassung 1996), erfüllte diese Forderung erstmals. Ritonavir ist ein starker Hemmer des Cytochrom P450 Systems in der Leber, welches den Abbau lipophiler Fremdstoffe im Organismus katalysiert. Dadurch wurde es möglich, die Plasmaspiegel des Wirkstoffes auf einem höheren Niveau zu halten und die Dosis zu reduzieren. Heute ist es Usus, Protease-Inhibitoren mit Ritonavir in geringer Dosis zu kombinieren und damit die gesamte Wirkstoffdosis zu reduzieren.

Ein anderes Problem stellt die Resistenzentwicklung von HIV-Stämmen gegen Protease-Inhibitoren dar. Durch den ähnlichen Aufbau und den gleichen Wirkmechanismus tritt meist Kreuzresistenz auf, das heißt, bei Resistenz gegen einen Protease-Inhibitor ist das Virus auch gegen die anderen Vertreter sensibel und wird nicht mehr gehemmt. Der vierte Vertreter dieser Reihe, Nelfinavir (Erstzulassung 1997), stellte für diesen Fall erstmals eine Alternative. Auch Amprenavir (Erstzulassung 1999) zeigte eine geringere Neigung zu Kreuzresistenz, allerdings hat dieser Wirkstoff durch seinen stark lipophilen Charakter eine deutliche Schwäche bezüglich Resorption aus dem Gastrointestinaltrakt. Folglich musste man entsprechend hohe Dosen verabreichen. Vorteilhaft erwies sich die hohe Halbwertszeit von Amprenavir, die eine zweimalige Dosis pro Tag zuließ. 2001 wurde Lopinavir zugelassen. Dieser Wirkstoff wird fix (in der gleichen Tablette) mit Ritonavir kombiniert, was eine deutliche Dosisreduktion zur Folge hatte. Mit Atazanavir stand seit 2003 ein Vertreter zur Verfügung, der sogar eine einmalige Dosierung pro Tag erlaubte. Der Hersteller von Amprenavir entwickelte diesen Arzneistoff zu einem sogenannten Prodrug weiter. Man räumte den Nachteil der schlechten Resorption durch eine kleine Modifikation zur Seite. Fosamprenavir (Erstzulassung 2004) ist sozusagen ein Vehikel, durch Veresterung mit Phosphorsäure wurde Amprenavir besser wasserlöslich und wird dadurch besser ins Blut aufgenommen. Eine deutliche Verminderung der Dosis war das Resultat.

Die neueste Generation der Protease-Inhibitoren läutete Tipranavir ein (Erstzulassung 2005). Diese Substanz zeigt nicht mehr die bisherige Peptidstruktur und unterscheidet sich damit maßgeblich von den älteren Vertretern. Der Vorteil besteht in der guten Wirkung bei HIV-Stämmen, die Resistenz gegen Protease-Inhibitoren entwickelt haben. Allerdings beeinflusst Tipranavir offenbar in komplizierterem Maße den Stoffwechsel in der Leber, was sich in verschiedensten, teils lebensbedrohenden Nebenwirkungen bemerkbar macht. Demzufolge ist die Anwendung auch stark eingeschränkt.

Allgemeine Nebenwirkungen

Kurzfristig eintretende Beschwerden des Magen-Darmtraktes, wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall sind bei Behandlung mit allen Vertretern der Protease-Inhibitoren relativ häufig. Gelegentlich kann man Veränderungen bestimmter Laborwerte feststellen (zum Beispiel Transaminasen).

Bei der Langzeitbehandlung zeigen sich jedoch einige Probleme, die zu Störungen im Fettstoffwechsel führen und in der Folge Lipodystrophie (Fettverteilungsstörungen) und Dyslipidämie (erhöhte Blutfettwerte) auslösen können. Der Grund liegt wahrscheinlich in der mitochondrialen Toxizität, da Proteaseinhibitoren offenbar ähnlich den NRTI die Mitochondrien schädigen.

Nennenswert, da alle Protease-Inhibitoren davon betroffen sind, ist deren Einfluss auf den Metabolismus durch die Leber:

Beeinflussung von Cytochrom P450

Alle Protease-Inhibitoren sind mehr oder weniger starke Hemmer des Cytochrom P450 Systems (hauptsächlich CYP3A4). Das Cytochrom P450 System besteht aus verschiedenen Enzymen, kommt in großer Dichte in der Leber vor und hat die Aufgabe, den Organismus von fremden Substanzen, die besonders lipophilen (fettlöslichen) Charakter haben zu befreien. Die Ausscheidung sehr vieler Arzneistoffe erfolgt unter Einbeziehung dieses Mechanismus. Wird das System nun gehemmt, wie es durch Protease-Inhibitoren und andere Substanzen geschieht, so bleiben unerwartet hohe Dosen dieser lipophilen Stoffe über längere Zeit als üblich im Körper und können zu ungewollten Reaktionen führen (Überdosierung). Die Verwendung diverser Arzneistoffe wie beispielsweise Antiarrhytmika, Benzodiazepine und Kontrazeptiva gemeinsam mit Protease-Inhibitoren ist daher äußerst problematisch.

Literatur

  • Alterman, Mathias: Design and synthesis of HIV-1 protease inhibitors. Dissertation, Uppsala, 2001.
  • Schaal, Wesley: Computational studies of HIV-1 protease inhibitors. Dissertation, Uppsala 2002
  • Granfors MT, Wang JS, Kajosaari LI, Laitila J, Neuvonen PJ, Backman JT: Differential inhibition of cytochrome P450 3A4, 3A5 and 3A7 by five human immunodeficiency virus (HIV) protease inhibitors in vitro. Basic Clin Pharmacol Toxicol. 2006,98(1):79-85.