Cruising (Film)
Crusing ist ein US-Spielfilm von Regisseur William Friedkin mit Al Pacino in der Hauptrolle. Der Film wurde 1979 gedreht und 1980 uraufgeführt. Von Beginn an war der Film aufgrund des Verdachts der Homophobie massiven Protesten ausgesetzt.
Handlung
Ein heißer Sommer in New York. Eine Mordserie wühlt die schwulen Lederszene des ‘West Village’ auf. Leichenteile schwimmen im Hudson River – die Polizei vermutet einen Serien-Killer, der seine Opfer in Schwulen-Bars kennen lernt. Undercover wird ein den Opfern ähnlich aussehender Polizist (Al Pacino als Steve Burns) in die Szene eingeschleust, dem sadistischen Täter auf der Spur. Der (nota bene heterosexuelle) Polizist entdeckt in den Bars des Village eine Szene der Drogen und des hemmungslosen Sex – und sieht sich mit seinen eigenen homosexuellen Anteilen konfrontiert. Er verdächtigt bald einen Barkeeper als Täter, von dem die Polizei mit Gewalt ein Geständnis zu bekommen versucht. Doch die Spur erweist sich als falsch. Ist der wahre Täter unter den Schwulen zu suchen? Oder an ganz anderer Stelle?
Produktion
Regisseur William Friedkin drehte den Film ‘Cruising’, zu dem er auch das Drehbuch verfasste, auf Basis des gleichnamigen 1970 veröffentlichten Romans des ‘New York Times’-Autors Gerald Walker. Friedkin filmte großenteils vor Ort in New Yorks Schwulenszene, im Greenwich Village, in schwulen Bars wie ‘Badlands’, ‘Eagles Nest’, ‘Ramrod’. Und er zeigte ursprünglich viel vom schwulen Leben in den Bars.
Friedkin selbst wies später darauf hin, dass der Film zunächst länger gewesen sei. Um eine bessere Einstufung der Behörden zu bekommen als das ursprüngliche X-Rating (‘aufgrund sexueller oder gewalttätiger Inhalte nicht für Jugendliche geeignet’), habe er etwa 40 Minuten mit Szenen aus New Yorker Schwulen-Bars entfernt, überwiegend Sex-Szenen.
Uraufführung von ‘Cruising’ war am 8.2.1980 (Release 15.2.1980) in New York. Die Kritiker zeigten sich von dem Film wenig angetan, an den Kinokassen war er international mässig erfolgreich. Auch in Deutschland war ‘Cruising’ kein großer Kassenschlager – nur 550.000 Zuschauer wollten den Film sehen.
‘Cruising’ wurde für einen Preis nominiert: 1981 gleich dreifach für die ‘Goldene Himbeerre’ ‘(1st Golden Raspberry Award’), in den Kategorien schlechtester Film, schlechtestes Drehuch und schlechteste Regie. Es blieb die einzigen Preis-Nominierung dieses Films.
Proteste
Bereits bei den Dreharbeiten zu ‘Cruising’ kam es zu Protesten von Schwulen, die Dreharbeiten wurden gestört (auch wenn gleichzeitig Teile der schwulen Leder- und S/M-Szene New Yorks begeistert an den Dreharbeiten als Statisten mitwirkten). Über eintausend Demonstranten forderten in einem Protestmarsch die Stadt New York auf, ihre Unterstützung bei den Dreharbeiten zu beenden.
Demonstranten befürchteten, der Film könne zu einem Anstieg der Hass-Verbrechen (hate crimes) gegen Schwule führen. Insbesondere drei Dinge standen im Mittelpunkt dieser Proteste: die Gleichsetzung von schwuler Subkultur und Gewalt, die heterosexualisierte Sicht auf Schwule sowie besonders, dass die Hauptperson des Films mit dem Entdecken der eigenen Homosexualität psychotisch wird und zu morden beginnt (ein Vorwurf, dem Friedkin mit einem anderen Schnitt des Film-Endes, der diese Deutung offen lässt, meinte begegnen zu können).
Friedkin betonte angesichts der bald einsetzender Proteste, ‘Cruising’ handele nicht von Homosexualität, er fälle keine Werturteile (eine Sichtweise, die er auch 2007 in einem Interview wiederholte).
“I’m trying to present a portrait of a group of people who get their sexual kicks in ways that society doesn’t approve, but I’m making no personal judgement of these people.”
Bald ergänzte Friedkin auf Anraten des um Rat gebetenen schwulen Autors John Rechy den Film um den Hinweis (der später in der 2007/2008-DVD-Version des restaurierten Films wieder fehlt):
“This film is not intended as an indictment of the homosexual world. It is set in one small segment of that world, which is not meant to be representative of the whole.”
Später allerdings merkte Friedkin an, dieser Hinweis sei ihm vom Verleiher United Artists “zur Beschwichtigung der Schwulengruppen” aufgenötigt worden, damit der Film überhaupt zur Aufführung gelangen könne. Vito Russo, schwuler Film-Historiker, hingegen kommentierte in ‘The Celluloid Closet’ trocken, welcher Regisseur würde solch eine Anmerkung ergänzen, wenn er wirklich überzeugt sei, dieser Film würde nicht als Darstellung der Schwulenszene in ihrer Gesamtheit gesehen werden. Diese Anmerkung sie “ein Schuldeingeständnis”:
“This disclaimer is an admission of guilt.”
Rezeption
Die Rezeption von ‘Cruising’ hat sich im Laufe der Zeit verändert. Äußerungen mancher Kritiker sind milder geworden. Bill Krohn bezeichnet ihn 2004 als eine “offensive Anomalie” und “seiner Zeit voraus“. Adrian Martin feiert ‘Cruising’ gar 2008 als ‘Meisterwerk des Kinos der 80er Jahre’m, interpretiert ihn als Film über ein ganzes soziales System aus sexueller Repression und mörderischen Impulsen (“entire social system running on sexual repression and twisted, murderous impulses“). Derr fernsehsender ARTE kommentierte die Neu-Ausstrahlung Anfang Juli 2012 mit den Worten “Tatsächlich ist der Film mehrdeutig, was seine Darstellung der Schwulenszene angeht, und viel hängt von der Wahrnehmung der schonungslos inszenierten Bilder ab.”
Literatur
Guy Davidson, “Contagious Relations: Simulation, Paranoia, and the Postmodern Condition in William Friedkin’s Cruising and Felice Picano’s The Lure,” GLQ 11.1 (2005): 23-64 Alex Simon: CRUISING WITH BILLY – Director William Friedkin restores his controversial classic for a new audience—and a new age. (Interview mit ‘Cruising’-Regisseur William Friedkin, 2007)
Robin Wood 1986: The Incoherent Text
Bill Krohn 2004: Friedkin out
Vito Russo: The Celluloid Closet – Homosexuality in the movies. New York 1981