Tunte

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Als Tunte werden in aller Regel Männer bezeichnet die Frauenkleider tragen oder ein besonders affektiertes bzw. feminines Auftreten an den Tag legen. Der Begriff wird einerseits synonym mit anderen Worten wie Transe oder Schwuchtel als schwere Beleidung gebraucht, um eine als Mann gelesene Person abwertend als homosexuell zu bezeichnen. Andererseits ist er als Selbstbezeichnung gebräuchlich, typischerweise von sich, wie oben aufgeführt verhaltenden Personen. Dabei handelte es sich in Zuge der historischen Aneignung des Begriffs um schwule und bisexuelle Männer und sich nicht-binär verortenden Personen sowie mitunter Transfrauen, die alle dem Leben und Performen als Tunte eine mithin stark politische Bedeutung beimaßen. In der deutschen Schwulenbewegung wurde der Begriff positiv umbesetzt ("reclaiming") und im Nachgang von Aktivisten als Selbstbezeichnung und Kampfbegriff verwendet. Aus dieser Geschichte und der Politisierung des Begriffs ging die Tunte als originäres Konzept hervor, das sich nicht einfach mit ähnlichen Bezeichnungen (wie Drag Queen) in andere Sprachen übersetzen lässt. Das Tragen von Frauenkleidern steht bei der Tunte nicht in Zusammenhang mit sexuellen Phantasien oder einem Fetisch.

Erscheinung

In Abgrenzung zur Showtranse, Travestiekünstlerin und zur Drag Queen lässt sich sagen, dass das Erscheinungsbild der Tunte deutlich weniger genormt ist. Glamouröse, gut geschminkte Tunten finden sich ebenso wie Klofrauen, "Straßenstrich"-Dirnen, Mauerblümchen, Großmütter und sämtliche denkbare Mischformen. Auch beim Tragen von Körperbehaarung, dem Einsetzen von (falschen) Brüsten oder dem kaschieren der Geschlechtsorgane lassen sich bei Tunten keine eindeutigen Regeln ausmachen. Häufig sind das Aufsetzen einer Perücke (im Jargon Dutte genannt), das Tragen von Frauenkleider, dem Fummel und Stöckelschuhen zu beobachten, aber auch bezüglich dieser Attribute ist keine normierende Definition über die Tunte aufzustellen.

Geschichte

Erste Spuren des Tuntentums lassen sich bereits im frühen späten 19. bzw. frühen 20. Jahrhundert (überwiegend in Berlin) finden. Dort war es unter homosexuellen Männern, wie auch Frauen üblich sich zu verschiedenen Anlässen auch in Kleider des anderen Geschlechts zu gewanden. Durch die starken Repressalien und das Trauma der aus heutiger Sicht queeren Szene im Dritten Reich ging ein großer Teil dieser damaligen Kultur verloren. Erst mit aufkommen der Schwulenbewegung in den 60er Jahren, kam es zu einer Wiederentdeckung und der Politisierung des Tuntentums in den 70er Jahren. Tunten waren damals wie heute auch innerhalb der Szene stark polarisierend, was 1973 im Tuntenstreit gipfelte. Trotz zahlreicher Ansagen über das Ende der Tunte hat sich das Konzept bis heute erhalten und in vielen deutschen Städten lassen sich mehr oder weniger viele mehr oder weniger aktive Tunten entdecken.

Kultur

Über die Politisierung und durch die starke gesellschaftliche Ausgrenzung von Tunten haben sich verschiedene Tuntenkulturen gebildet, die sich eines breiten Repartoires an Ritualen und strukturbildenden Mechanismen bedienen. So findet sich als weit verbreitetes, zentrales Ritual das Auffummeln. Dabei wird die Alltagskleidung zugunsten des Fummels abgelegt und die Tunte verleiht ihrer Tuntenpersönlichkeit Raum. Ein weiteres Ritual, dass sich bei fast allen Tuntenkulturen und auch anverwandten Konzepten weltweit finden lässt ist Die Show. Dabei handelt es sich üblicherweise um einen Kleinkunstabend oder eine Modenschau, typischerweise im Rahmen einer Feierlichkeit der Community. Dabei werden verschiedenste Performances (Musik, Gesang, Karaoke, Tanz, etc.) von Tunten und anderen Performer*innen dem Publikum präsentiert.

Ein weiteres Element, das sich oft beobachten lässt ist die Bildung von Familien. Ältere, erfahrene Tunten adoptieren dabei eine jüngere Tunte und führen sie in die jeweilige Kultur ein. Adoptionen können auch Ausdruck der Verbundenheit sein und müssen nicht an dieses einseitig didaktische Prinzip gekoppelt sein. Daneben sind auch andere, ehemals den Religionen zugeschriebene Riten bei Tunten zu finden. Diese sind nicht zwangsweise oder ausschließlich als Parodie zu verstehen, da ihnen häufig auch eine gewisse Ernsthaftigkeit innewohnt. Vielmehr zeigt sich darin das Streben nach Anerkennung über die Horizonte der religiösen Traditionen hinaus. Dementsprechend finden sich auch die Tuntentaufe und die Tuntenhochzeit.

Weitere Begriffe

Neben der klassischen Verwendung des Begriffes Tunte (wie oben beschrieben), haben sich über die Jahre verschiedene Bezeichnungen gefunden um weitere Tuntigkeiten zu unterscheiden. Diese Kategorisierung dient dem betonen von spezifischen Unterschieden in den Bedürfnissen und der Performance der jeweiligen Tuntigkeit, nicht um Ausschlüsse zu (re)produzieren. Ausschlaggebend sollte letztendlich immer die tatsächliche Selbstbezeichnung der entsprechenden Person sein und keine von außen verordnete Kategorie ("Die Tunte ist begrifflich nicht wirklich zu fassen").

Tunt*wesen

Tunt*wesen ist ein Überbegriff für tuntische Wesenheit aller Art. Wer oder was auch immer tuntische Ästhetik, Habitus oder die Tuntischen Tugenden verkörpert kann als dem Wesen nach tuntisch erkannt werden. Dabei spielen gesellschaftliche Normkategorien und Dychotomien wie Geschlecht, Mensch-Maschine-Unterscheidung oder was für nen dummes Zeug sich die Heten noch ausgedacht haben keine Rolle.

Boytunte und Tunterich

Die Begriffe Boytunte und Tunterich werden verwendet um Tunten aller Geschlechter zu bezeichnen, die in aller Regel im Boyfummel auftreten und männlich konnotierte Namen und Pronomen verwenden. Sie verhalten sich allerdings genau so tuntig (vgl. Posing, Tuntische Tugenden). Nicht selten stehen auch andere Begriffe dabei im Raum, wie beispielsweise der des (tuntigen) Dragkings.

"Femmetunte" und "Enbytunt"

Mit den Begriffen der Femmetunte und der Enbytunt wurde versucht eine weitere Spezifizierung anzubieten. Diese sollte Personen im tuntischen Spektrum bei der Verortung helfen, die sich als nicht-binär oder cis-weiblich verorten. Femmetunten sind in aller Regel cis-weibliche oder sich vorwiegend als weiblich präsentierende Personen, die Girlfummel tragen und weiblich konnotierte Namen und Pronomen verwenden. Enbytunten sind Tunten deren Präsenz als nicht-binär beschrieben werden kann. Die Begriffe haben sich allerdings nicht durchgesetzt. Vielmehr herrscht heute der Konsens, dass verschiedene Tuntigkeiten aus beliebigen Geschlechterpositionierungen entspringen und dass Tuntigkeit grundsätzlich etwas Zwischiges - die Geschlechtergrenzen (und Grenzen des "guten Geschmacks") auflösendes - innewohnt.

Dieser Entwicklung liegt vermutlich auch die Erfahrung zugrunde, manchmal Frauen im öffentlichen Raum als Tunten zu lesen, wenn diese tuntige Aspekte zeigen. Nicht zuletzt führt das auch wieder zurück zum Ursprung des Wortes Tunte als Bezeichnung für eine auffällige, unverheiratete "Tante".